Siehe auch: Selenz` Kommentar 06. November 2003: ,,Preussag/TUI: Geld unter dem Tisch"

Es gibt Länder auf dieser Welt, in denen steht die Bekämpfung von Bestechung und Untreue nicht
auf der Prioritätenliste. Das ist der perfekte Nährboden für Korruption und Klüngel. Kriminelle
Strukturen in Politik und Wirtschaft sind die zwangsläufige Folge. Gemeinhin denkt man in
diesem Zusammenhang an Bananenrepubliken in Mittelamerika. Doch Recht und Gerechtigkeit
haben nicht nur in Äquatornähe einen schweren Stand. Oasen des Unrechts finden sich auch in
kälteren Zonen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD
bezeichnet beispielsweise Österreich als eine solche ,,Korruptions-Oase". Das Land sei in der
Bekämpfung von Bestechung und Untreue zu nachlässig, so Mark Pieth, OECD-Korruptions-
experte. Österreich befinde sich in der Korruptionsbekämpfung im unteren Drittel aller Staaten.

Woraus besteht der Nährboden der alpinen Korruptions-Oase? In Österreich hängen Staatsanwälte
direkt an der Kette der Politik. Polit-Kriminalität steht damit unter Polit-Schutz. Dies trifft in glei-
cher Weise auf Deutschland zu. Auch bei uns kriechen die Anwälte des Staates nach Weisungen
der Politik. Kein Wunder also, dass Ermittlungen zu Polit-Kriminalität stets im Sande verlaufen.
Wie von Geisterhand gesteuert. Die Staatsanwälte gehorchen in diesen Fällen nur ihren Polit-An-
weisern. Die Folgen dieses offenen Krebsgeschwürs unseres Rechtssystems sind zum Teil grotesk.

Am 19. September 2003 vermeldete Preussag/TUI-Chef-Lobbyist Zumpfort zur besten Sendezeit
bei der ARD im ,,Bericht aus Berlin" wörtlich, er bringe ,,dem Abgeordneten oder Beamten mit
guten, opulenten Essen oder Veranstaltungen etwas Abwechslung in seinen sonstigen tristen
Alltag. Aber die klassische Politik nämlich Geschenke machen, Geld in Umschlägen unter dem
Tisch mit ,,WG". Das ist vorbei."
Was auf den ersten Blick beruhigend klingt, entpuppt sich bei
näherem Hinsehen als klassisches Geständnis. Positiv war zwar zu vermerken, dass Herr Zumpfort
Abgeordnete oder Beamte nicht mehr ,,klassisch" bestach, wie in der Vergangenheit. Politiker-
bestechung ist in Deutschland allerdings auch nur dann ein Straftatbestand, wenn der Bestochene
dafür Leistungen erbringt. Das ,,WG" auf den Umschlägen unter dem Tisch legt derartiges indes
nahe. Beamtenbestechung ist hingegen stets eine strafbare Handlung. Es wäre daher gut zu wissen,
welche Abgeordneten und Beamten Geld-Umschläge mit ,,WG" erhielten und was sie dafür taten.
Hintergrund: Die Preussag/TUI ,,bewegte über eine Clearingstelle zur Umverteilung von Schwarz-
geldern in Genf im Jahr so ungefähr 20 Millionen Mark". ,,Wieviel davon - zur Beatmung der
Politik - nach Deutschland floss, ist offen",
wie die WELT bereits am 14. März 2002 berichtete.
Nachdem ein Bürger daraufhin eine Strafanzeige stellte, bekam er folgenden Bescheid: ,,Das auf
Ihre Strafanzeige vom 28. Juni 2004 gegen Dr. Wolf-Dietrich Zumpfort und Unbekannt wegen
Bestechung und Untreue eingeleitete Ermittlungsverfahren (2 Wi Js 214/04) habe ich eingestellt
(§ 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung). Die Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen auf, sofern
zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten vorliegen (§ 152 Absatz 2 der
Strafprozessordnung). Bloße Vermutungen rechtfertigen es nicht, jemandem eine Tat zur Last zu
legen. Aus den von Ihnen zitierten Äußerungen lassen sich die für weitere Ermittlungen erfor-
derlichen konkreten Verdachtsmomente nicht entnehmen, da weder ersichtlich ist, dass der
Beschuldigte selbst an derartigen - eine Bestechungshandlung nahelegende - Geldübergaben
beteiligt war, noch dass es sich um Vorgänge in nicht rechtsverjährter Zeit handelt. Konkrete
Hinweise auf etwaige unbekannte Täter bzw. auf strafbares Verhalten von Verantwortlichen der
TUI lassen sich Ihrer Anzeige ebenfalls nicht entnehmen. Für bloße Verdachtsermittlungen gibt
die Strafprozessordnung jedoch keinen Raum. Hochachtungsvoll - Rebentisch - Staatsanwalt."

In Frankreich wurden jüngst Vertraute der L`Orèal-Erbin, die Geld-Umschläge am Tisch verteilt
haben sollen, festgenommen. Dort will die Justiz tatsächlich wissen, wie und warum die Politik
bestochen wurde. In Deutschland hingegen schaut sie offener Polit-Kriminalität untertänigst zu.
Der Deutsche Richterbund sieht in der Weisungsgebundenheit ein Hindernis zur Aufklärung von
,,Regierungskriminalität". Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger prangerte am 7. August
2009 diesen schweren Missstand unseres Rechtssystems gar vor dem EU-Rat an. Mark Pieth von
der OECD sollte sich auch die Korruptions-Oase Deutschland einmal etwas genauer ansehen.

Peine, den 10. August 2010 gez.: Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz