Der Sohn des ermordeten Generalbundesanwaltes Siegfried Buback, Michael, hat dem Mord an
seinem Vater eine völlig neue Dimension gegeben. Mehr als 30 Jahre nach der Tat. Michael
Buback - als Wissenschaftler ebenso exzellent wie der Vater als Jurist - bringt die Anwälte des
Staates in eine nachgerade ungeheuerliche Situation. Wollten oder durften die früheren Kollegen
und Mitarbeiter seines Vaters die Morde nicht aufklären? Der Verdacht drängt sich geradezu auf.
Ein Gespräch am 30. März 2007 mit dem RAF-Aussteiger Peter Jürgen Boock lässt erste Zweifel
wachsen. Die wegen des Mordes am 7. April 1977 verurteilten Christian Klar und Knut Folkerts
seien an dem Attentat nicht beteiligt gewesen. Stefan Wisniewski stattdessen der Todesschütze.
Der aber hatte nicht vor Gericht gestanden. Ging es bei der Aufklärung des Attentats mit rechten
Dingen zu? Der Sohn - bis zu diesem Zeitpunkt von der korrekten Arbeit der Fahnder überzeugt -
beginnt selbst zu recherchieren. Wie ein Wissenschaftler - präzise und akribisch. Was er heraus-
findet, ist beschämend und erschreckend zugleich. Es stellt unseren Rechtsstaat auf den Kopf. Die
Urteile sind nicht das Papier wert, auf dem sie stehen. Die als Mörder verurteilten Terroristen wa-
ren nicht am Tatort. Die dem Gericht präsentierten Zeugen hatten entweder selbst nichts gesehen
oder leisteten Falschaussagen. Wichtige Augenzeugen wurden indes nicht gehört. Michael Buback
fand deren zehn. Sogar eine unmittelbare Zeugin der Tat. Sie machte detaillierte Angaben über
den Verlauf des Attentats. Ihre Aussagen entschlüsselten letztlich sogar den Tatort. Doch nur ihr
Chef, der nichts gesehen hatte, wurde als Zeuge vernommen. Die Tatzeugen waren zur Verhand-
lung komplett ausgeblendet worden. Allem Anschein nach systematisch. Alle diese Zeugen hatten
eine zierliche Person auf dem Sozius des Tatmotorrades gesehen. Wahrscheinlich eine Frau. Die
zierliche Person, die Siegfried Buback und seine Begleiter erschoss, blieb indes im Dunkel. Nicht
nur der Sohn fragt: Warum? Wer schützt die Täter? Besteht kein Interesse, sie zu identifizieren?
Eine zierliche Person ist im Täterumfeld nicht zu übersehen. Verena Becker aktive RAF-Terro-
ristin. Becker - Deckname Paula - spielte eine zentrale Rolle im Umfeld des Mordes. Paula sollte
bereits im Dezember 1976 ,,Margarine" (SB = Siegfried Buback) beseitigen. Das Attentat wurde
verschoben, weil die Polizei die verschlüsselten Angaben fand. Bei ihrer Festnahme - vier Wo-
chen nach der Tat - verteidigte sie sich mit der Mordwaffe. Ein Schraubendreher des Tatmotor-
rades fand sich bei ihr. Ihr Haar wurde in einem der Täterhelme gefunden. An den RAF-Bekenner-
schreiben entdeckte man inzwischen auch ihre DNA. Je tiefer der Sohn in den Fall einstieg, desto
unglaublicher wurden die Befunde. Immer mehr Zeugen der Tat meldeten sich. Hatten die Fahn-
der im Jahre 1977 geschlafen? Wie dilettantisch kann bzw. darf die ranghöchste Riege der An-
wälte des Staates agieren? Was soll der Bürger einer Bundesanwaltschaft noch glauben, die solche
Fakten übersieht? Warum werden Menschen verurteilt, die nie am Tatort waren? Warum werden
nur Zeugen gehört, die nichts gesehen haben? Warum werden alle Tatzeugen ignoriert? Wer
steuerte die Ermittlungen der Fahnder und warum? Und vor allem: Wer steuerte Verena Becker?
Stasi-Akten zufolge wurde Verena Becker bereits seit 1972 von westdeutschen Geheimdiensten
,,bearbeitet bzw. unter Kontrolle gehalten". Die Stasi führte sie derweil unter den Decknamen
,,Sola", ,,Pohlmann" und ,,Telse". Über den Buback-Mord und die Arbeit der Fahnder war die
Stasi synchron informiert. Die Stasi-RAF-Verbindung war seit jeher eng. Bei ihrer Verhaftung in
Singen am 3. Mai 1977 fand man in Beckers Hosentaschen 200 Ostmark. Deren Ausfuhr war
strengstens verboten. Wie sich inzwischen herausstellte, erhielt sie auch Geld vom Verfassungs-
schutz. Erschoss ein übermotivierter Stasi-BND-Doppelspitzel den Top-Fahnder der BRD? Unter
Kontrolle der Dienste diesseits und jenseits der Mauer? Das wäre in der Tat nicht nur peinlich.
Mit seinen Recherchen zog sich Michael Buback den Groll der Bundesanwälte zu. Auch Verena
Becker, bis dato lediglich wegen der Schießerei bei Ihrer Festnahme verurteilt, reagierte. Im März
2007 schrieb sie vom ihrem ,,Täterwissen". Der BGH sah sie Ende 2009 indes nur als Mitläuferin
und ließ sie laufen. Der anstehende Prozess gegen Verena Becker bietet nunmehr die Chance, all
die offenen Fragen korrekt zu klären. Dazu müssen alle neuen Fakten auf den Tisch des Gerichts
und alle Zeugen in den Zeugenstand. Bis dato ist der Buback-Mord ein einziger Justiz-Skandal!
Peine, den 13. April 2010 gez.: Prof. Dr.-Ing Hans-Joachim Selenz