Wie blöd war Helmut Kohl?

*Im Wörterbuch finden wir unter ,,blöd": Unsinn reden, dumm.

,,Ganz blöd waren wir aber nicht. Ich auch nicht" - ,,DIE WELT" 16.09.2004 -. Mit dieser nur
auf den flüchtigen Blick beruhigenden These überrascht Ex-Kanzler Helmut Kohl im branden-
burgischen Straußberg. Vor 400 Zuhörern einer CDU-Veranstaltung räumt der Alt-Kanzler
Fehler ein - Fehler beim Aufbau der neuen Bundesländer. Er habe angenommen, man könne die
DDR-Betriebe noch vier bis fünf Jahre am Leben halten. Deren Absatzmärkte seien aber mit
dem Zusammenbruch der Sowjetunion weggebrochen. Mitverantwortlich für die Probleme seien
aber auch westdeutscher Manager. Für die sei die DDR lediglich als Absatzmarkt interessant
gewesen, nicht jedoch als Produktionsstandort. So einfach ist das also! Das Schicksal und böse
Manager. Sie tragen die Schuld. Eigenes Handeln als Grund für die anhaltende Misere im Osten
schließt der Alt-Kanzler weitestgehend aus. Sein Argument: ,,Wenn sie ganz blöd sind, können
Sie sich nicht 16 Jahre im Amt halten." Auch für 25 Jahre CDU-Vorsitz brauche man ,,eine
gewisse Grundausstattung". Offen bleibt, ob es sich um eine fachliche, geistig-moralische oder
sonstige Grundausstattung handelt. Was will uns der Bimbes-Kanzler damit sagen? Was sich im
ersten Eindruck anhört wie der Werbespruch einer Elektro-Kette, ist zumindest des Nachfassens
wert. Man kann ihm ja leider nicht mehr zurufen: ,,Nachbessern! - Marsch, marsch!"

War es nicht Kohl, der gegen den Rat von Bundesbankpräsident Pöhl die fatale Umtauschrate
von 1/1 festlegte? Kohl, der den Neubürgern ,,blühende Landschaften" versprach? Spätestens
drei Jahre nach der Wende war erkennbar, dass es dazu kundige Landwirte braucht. Bereits da-
mals hatten einige Neubürger - insbesondere alte SED-Kader - Kohls Bild zu Schlaraffen-Land-
schaften umgedeutet. Als Kanzler hat Kohl dieser unheilvollen Fehlinterpretation zumindest
nicht hörbar widersprochen. Er sah zu, wie die roten Barone neue Pflänzchen mit Sorgfalt ver-
dorren ließen. Der PDS-Beweis dafür, dass es die Wessies auch nicht besser können. Die DDR,
so die PDS-Botschaft, war doch gar nicht so schlecht. Ihr Niedergang - bedauerliches handwerk-
liches Missgeschick. So kennen wir es auch von den braunen Epigonen. Erben der Mauer-Mör-
der spielen sich heute mit geistigen Erben der unseligen Nazi-Vergangenheit als die ,,Retter des
Ostens" auf. Man reibt sich die Augen. Rote und braune Sumpfblüten in Kohls Landschaften!
In diesem Sumpf versinkt nun - zunehmend schneller - auch das eilig gezimmerte Denkmal eines
Mannes, der sich, in maßloser Selbstüberschätzung, bereits an der Seite Bismarcks wähnte. Der
von Kohl so gern zitierte Mantel der Geschichte droht ihn schon auf kurze Sicht zu bedecken.

Kohl war auch in den schwierigen Nach-Wende-Zeit zuvorderst damit beschäftigt ,,sich im Amt
zu halten". Dazu war ihm jedes Mittel recht. Lügen, Gesetzesbrüche, Intrigen, Schwarzgeld. Al-
les, was man als Spitzen-Politiker in diesem unserem Lande zum Erhalt der eigenen Macht -
,,legal" - einsetzt. Er war ja nicht blöd! Die Partei führte er wie ein mittelalterlicher Lehnsherr.
Wer gehorchte, durfte an Geld und Macht teilhaben. Wer sich in den Weg stellte, wurde
abgeräumt. Das führte schließlich dazu, dass er zu einem gewissen Zeitpunkt ganz offensichtlich
das ganze Land als Pfründe sah, z. B. die neuen Länder. Tausenden von Bürgern stahl er das
Erbe. Die Begründung: Die Russen hätten die deutsche Einheit an die Aufrechterhaltung der
Enteignungen zwischen 1945 und 1949 geknüpft. Das war eine blanke Lüge. Den Besitz ließ er
anschließend über die ,,Treu"-hand an Günstlinge und rote SED-Barone verteilen. Gegen
bestehende Gesetze. Kohl hat die BRD und die DDR zusammengeführt. Das hätte jeder andere
nicht-sozialistische deutsche Kanzler auch getan. Die geistig-moralische Wende, die wir
brauchen, um DDR und BRD nicht nur geographisch, sondern auch politisch zu einen, hat er
selbst nachhaltig ge- bzw. zerstört. Nicht zuletzt durch sein eigenes ungesetzliches Handeln.

Ernst Albrecht, einer der wenigen Fachmänner in politischen Positionen, sagt über den
Regierungsstil Kohls in Fragen der Wirtschaft und des Sozialstaates in seinem brillanten Buch
,,Erinnerungen, Erkenntnisse Entscheidungen" - Barton´sche Verlagsbuchhandlung Göttingen
1999 (ISBN 3-934648-00): ,,Wenn alles gut läuft kann man unter Umständen so regieren, nicht
aber, wenn das Land vor großen Problemen steht." QED!

Peine, den 18. September 2004 gez.: Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz


(C) 2011 - Alle Rechte vorbehalten

Diese Seite drucken