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Rede zur Hauptversammlung der TUI AG

„Meine sehr geehrten Damen und Herren, mein Name ist Hans-Joachim Selenz.

Ich war Mitglied des Vorstands dieses Unternehmens als es noch unter dem Namen Preussag AG firmierte. Zudem war ich Vorsitzender des Vorstands der Salzgitter AG und das auch schon vor dessen eigenem Börsengang. Damals hieß das Unternehmen noch Preussag Stahl AG. Ich habe zwei Themen über die ich heute reden werde. Dies sind einerseits die Bestellung des Wirtschaftsprüfers und andererseits die Verbindung von Herrn Bundespräsident Wulff zur TUI AG.

Auf die Frage eines Aktionärs, wie lange der Wirtschaftsprüfer schon für das Unternehmen ar- beitet, kann ich ihnen sagen, dass der Wirtschaftsprüfer PwC (PricewaterhouseCoopers) unter dem Namen C&L (Coopers&Lybrand) und dem Namen Treuarbeit bereits seit dem 9. Oktober 1923, dem Gründungstag des Unternehmens, dessen Zahlen prüft. Doch nicht nur deswegen möchte ich Sie bitten, die unter Punkt 5 der Tagesordnung aufgeführte Beschlussfassung über die Bestellung des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2011/12 abzulehnen und begründe dies wie folgt:

Am 7. Januar 1998 forderte ich eine Sonderprüfung des Jahresabschlusses der Preussag AG durch einen zweiten qualifizierten Wirtschaftsprüfer mit einschlägiger bilanzrechtlicher Assistenz, weil das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt 2,5 Mrd. DM zu Zwecken der „Quersubventionierung“ in der Bilanz verschoben hatte. In einer Notiz des CDU-Landtagsabgeordneten Hermann Eppers an Christian Wulff vom 3. April 1998 steht beispielsweise: „Mehr oder weniger unbemerkt hat die Preussag AG mittlerweile in Niedersachsen und Schleswig-Holstein rund 7500 Wohnungen veräußert und die erheblichen Gewinne aus diesen Transaktionen zum Schließen von Löchern in der Konzernbilanz benutzt“. Es wurden damit den Aktionären Gewinne vorgegaukelt, obwohl das Unternehmen schwerste Verluste im Anlagenbau eingefahren hatte. Insgesamt wurden auf diese Weise ca. 15 Mrd. DM ehemaligen Staatsvermögens vernichtet. Ich stand in der Zeit, als mich weigerte die Preussag-Bilanz zu unterschreiben, unter Polizeischutz durch die Polizei in Peine veranlasst durch die niedersächsische Landesregierung. Wirtschaftsprüfer war zu der Zeit C&L.

Am 4. Februar anlässlich der bilanzfeststellenden Aufsichtsratssitzung wurde mir eröffnet, dass eben diese Firma, also C&L, die gerade die gefälschte Bilanz aufgestellt hatte, die von mir geforderte Sonderprüfung durchgeführt hätte. Dies hatte also nicht - wie von mir gefordert - ein zweiter qualifizierter WP gemacht, sondern der Fälscher hatte in diesem Fall seine eigene Fälschung nur nochmals testiert. Ich verweigerte daraufhin meine Unterschrift unter den Jahres- abschluss und wurde noch am selben Tage - ganz konsequent - aus dem Vorstand abberufen.

Zur Hauptversammlung des Geschäftsjahres wurde den Aktionären ein gefälschter Geschäftsbe- richt vorgelegt. In dem stand als Bestätigungsvermerk auf Seite 107: „Hannover, im Januar 1998 Der Vorstand“. Auf Seite 108 stand unter dem Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers: „Hannover, den 12. Januar 1998 C & L Deutsche Revision Aktiengesellschaft Wirtschafts- prüfungsgesellschaft“. Dies alles vor dem Hintergrund, dass ich im Januar 1998 noch Vorstand war, die Sonderprüfung gefordert hatte und den Jahresabschluss auch später nie unterschrieben habe. Nähere Informationen dazu finden Sie in meinem Buch „Wildwest auf der Chefetage“

Am 16. November 2000 gab ich die Betrugsvorgänge den Herren Dr. Gundlach und Voss von der Staatsanwaltschaft Hannover zu Protokoll. Beide Herren hatten dabei derartige Schweißausbrüche, dass sie auf der Welle ihres eigenen Angstschweißes den Raum schwimmend hätten verlassen können. Deutsche Staatsanwälte sind nämlich politisch weisungsgebunden und dürfen nur tun, was ihnen die Politik erlaubt. Sie taten in diesem Fall nichts, um die Betrügereien aufzuarbeiten. Die Folgen waren dramatisch. 1 ½ Jahre später ging die Babcock Borsig AG, in die die Preussag AG ihre maroden Beteiligungen transferiert hatte, mit 5 Mrd. Euro in Konkurs. Zehntausende Mitarbeiter verloren dabei ihre Arbeitsplätze. Wenn die Hannoveraner Staatsanwälte auch nur ansatzweise ihre Pflicht getan hätten, wäre dieser 5-Mrd.-Euro-Konkurs definitiv nicht passiert. Die 2,5 Mrd. DM, derentwegen ich die Preussag-Bilanz nicht unterschrieben hatte, waren Teil dieses Mega-Konkurses in Oberhausen.

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Später stellte sich heraus, dass Wirtschaftsprüfer von C&L und von Pricewaterhouse (Pw), der WP-Firma, die die US-Beteiligungen der Preussag prüfte, bestochen worden waren. Die Herren Hermann Eichner (C&L, mit Brief vom 1. August 1996) und Rolf Windmöller (Pw, mit Brief vom 8. August 1996) bedankten sich schriftlich bei der Preussag für die Bezahlung ihres Aufenthalts und desjenigen ihrer Frauen anlässlich der Olympiade 96 in Atlanta. Diese Aufenthalte kosteten etwa 30. – 40.000 DM pro Paar. Herr Eichner tat dies sinnigerweise sogar auf einem Briefbogen von C&L Deutsche Revision, der ihn als Mitglied des Vorstands und Partner auswies. Das würde sich, meine Damen und Herren, nicht einmal ein sizilianischer Mafiosi erlauben. Hier in Hannover geht das ohne Probleme. Einige Zeit später taten sich die beiden WP-Firmen übrigens zusammen. Pricewaterhouse und C&L fusionierten zur Firma PricewaterhouseCoopers PwC. C&L bzw. PwC „prüften und prüfen“ übrigens auch heute noch wie über die gesamte Skandalzeit die Firma VW.
Im Juni 2003 trennte sich sogar die ehemalige Muttergesellschaft der Preussag AG, die West LB, nach dem Babcock-Konkurs und einem Sondergutachten der BaFin (der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) von ihrem damaligen Wirtschaftsprüfer PwC. Meine Damen und Herren, eine solche sogenannte Wirtschaftsprüfer-Firma hat weder hier noch an anderer Stelle in diesem Lande irgendetwas zu suchen. Wenn Sie, liebe Aktionäre, zum ersten Mal realistische Zahlen der TUI AG sehen wollen, müssen Sie PwC durch ein solides mittelständisches WP-Unternehmen ersetzen. Ich rate Ihnen in diesem Zusammenhang zur Firma Wengert AG aus Singen.

Dass diese Betrugsvorgänge in Hannover passieren, hat seine Begründung in der Maschsee-Mafia, über die Herr Fromberg sich in seinem Interview mit der FAZ vom 5. Februar 2012 so beredt auslässt. Er sagt zwar, es gebe sie nicht, die Maschsee-Mafia, berichtete dann aber von den Herrenabenden in seinem Haus, an denen so wörtlich: „Klassenkameraden, Fußballer, Richter, Rechtsanwälte“ etc. teilnehmen. Auch hochrangige Politiker und jetzt auch wieder Rocker-Chef Hanebuth sind dabei. Dies ist ein Justiz-Polit-Wirtschafts-Sumpf - diesseits und jenseits des Gesetzes - der in dieser Form sicher nicht nur in Deutschland einmalig ist. Hier in Hannover tritt er sogar an die Oberfläche. Und immer mitten drin: mein ehemaliger Kollege, TUI AG-Chef Michael Frenzel. Und wie sagte derselbe Götz von Fromberg im FAZ-Bericht vom 30. November 2010 so überzeugend: „„Und seien wir doch mal ehrlich: Netzwerke stören nur denjenigen, der sie nicht hat.“ Nicht großgeschrieben.“ Wie Sie, liebe Aktionäre, durch meine Ausführungen erfuhren, hatten Zehntausende Babcock- und Preussag/TUI-Mitarbeiter und Sie als Aktionäre, ebenso wie auch ich als Person, eine wie auch immer geartete Hilfe durch dies Maschsee-Netzwerk nicht zu erwarten.

Und wo wir schon einmal mitten drin sind, in der Maschsee-Mafia, zum Schluss noch eine letzte Frage. Mir liegen zwei Rechnungen der TUI aus dem Hause selbst vor, die die Sylt-Aufenthalte zweier Herren beinhalten. Und zwar vom 30. bzw. 31. Oktober bis zum 3. November 2007. Der eine Herr heißt Groenewold, der andere Wulff. Die Rechnungen tragen die Nummern: 21572 und 21574. Ich war bis dato davon ausgegangen, dass für Herrn Wulff eine direkte Zahlung nicht mehr möglich war und zwar, wie die SZ aktuell schreibt: „wegen der längst erfolgten Zahlung an den Reiseveranstalter“. Wenn ich mir die TUI-Rechnungen - auch die von Herrn Wulff - jedoch genau ansehe, lese ich als Rechnungsdatum den 2. November 2007. Vielleicht ist es dem TUI-Vorstand möglich, der Justiz in Hannover - allen voran den Staatsanwälten - in diesem Fall ausnahmsweise einmal ein wenig auf die Sprünge zu helfen und sie durch detaillierte Informationen zu den hier im Haus offensichtlich bestens bekannten Vorgängen aus ihrer politischen Zwangsjacke zu befreien.
Ich danke Ihnen, liebe Aktionäre, für Ihre Geduld und für Ihre Aufmerksamkeit.“
P.S. Mein Antrag, PwC nicht zum Wirtschaftsprüfer zu bestellen, wurde abgelehnt. PwC „prüft“ die TUI AG also auch im laufenden Geschäftsjahr weiter. Zu den Rechnungen verlautbarte der Aufsichtsratsvorsitzende, Prof. Dr. Mangold, sie seien kein Thema für die Hauptversammlung, da sie aus dem Jahre 2007 stammten, die HV jedoch das Geschäftsjahr 2010/2011 zum Gegenstand habe. Außerdem gehe man davon aus, dass alle Kunden ihre Rechnungen ordnungsgemäß bezahlten. Herr Dr. Frenzel betonte, angesichts zigtausender Rechnungen keine Kenntnis von diesem Vorgang zu haben und auch diese speziellen Rechnungen nie zuvor gesehen zu haben.

Peine, den 15. Februar 2012 gez.: Prof. Dr.-Ing Hans-Joachim Selenz

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